Seit Beginn der Revolution im Jahr 2011 lebt Syrien im Krieg. Eine Million Menschen wurden getötet, unzählige sind verschwunden, sechs Millionen Menschen sind auf der Flucht. Was in der allgemeinen Berichterstattung über den krieg und die Kriegsführung der Interventionsmächte meist untergeht, ist das Ausmaß der Vernichtung der Artefakte und Kunstwerke aus der griechisch-römischen, christlichen, byzantinischen und islamischen Zeit der syrischen Geschichte. Zahlreiche historisch bedeutsame Orte, die noch von biblischen und antiken Erzählungen her bekannt sind sowie zahlreiche Ausgrabungsstätten wurden bereits dem Erdboden gleichgemacht.
Das trifft insbesondere auf Aleppo zu, die vor dem Krieg mit ihren vielfältigen lokalen und überregionalen ökonomischen Verflechtungen zu den zentralen Wirtschafts- und Handelsmetropolen Syriens gehörte. In den engen Vierteln der Altstadt lebten seit Jahrhunderten Menschen unterschiedlicher Ethnien und Religionen auf engstem Raum zusammen. Sowohl Aleppo als auch die gesamte Region waren und sind wirtschaftlich und kulturell eng mit Europa verbunden.
Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von Fotos und Texten aus dem Band „Mein Aleppo“, der von Annette Gängler und Meinolf Spiekermann im Verlag „edition esefeld&traub“ herausgegeben wurde. Darüber hinaus sind Bilder aus dem digitalen Archiv „Syrian Heritage Archive Project" zu sehen, einem Projekt des Museums für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und des Deutschen Archäologischen Instituts. Sie zeigen Aleppo, wie es in den Jahren 1900 bis 2011 aussah, aber auch Fotos, die das aktuelle Ausmaß der Zerstörung dokumentieren.
Die ausgewählten Momentaufnahmen aus dem Alltagsleben Aleppos geben einen Eindruck von der lebendigen Vielfalt des Alltagslebens, wie es sich vor dem Krieg in den engen Altstadtquartieren und im geschäftigen Treiben auf dem Souk abgespielt hat. Die Ansichten von der Zitadelle aus auf das Panorama der Stadt und Fotos, die einen Einblick in private Lebenswelten geben, vervollständigen das Bild einer vitalen Stadt mit reicher historischer Vergangenheit, wie sie auch viele Besucher aus Europa noch in Erinnerung haben dürften.
Die Bilder konfrontieren die Besucher*innen aber auch mit Aufnahmen zu den Zerstörungen und kriegsbedingten Verlusten historisch bedeutender Bauwerke. Die aus Syrien geretteten Artefakte sind wertvolle Zeugnisse einer Kulturgeschichte, für deren Erhalt alles getan werden muss.
Im Rahmen der Ausstellung finden Lesungen syrischer Schriftsteller*innen statt sowie Vorträge zu Forschungen in Syrien, insbesondere zur Geschichte Aleppos. Ein Begleittext zur Ausstellung erscheint als eigenständige Publikation.
Außerdem zeigt die Ausstellung erstmals Werke aus dem Projekt „TellMe – about Aleppo“. Unterschiedliche Menschen erzählen persönliche Geschichten, öffnen sich dem Zuhörerenden oder Zuschauenden – und lösen darüber allzu vereinfachte Vorstellungen auf. Das Projekt hat mit Mitteln des zeitgenössischen Tanzes und Storytelling diese Geschichten in partizipativer und sensibler Weise erarbeitet.
Die Ausstellung wird vom Verein 17_3_17 und vom Verein der Förderer des Austauschs deutscher und syrischer Kultur e.V. veranstaltet und von Jabbar Abdulah in Kooperation mit dem syrischen Schriftsteller Suleman Taufiq kuratiert.
Kriege bedeuten Untergang. Flucht hingegen ist Rettung, Rettung heißt Bestehen, das gibt mir die Chance zu leben, genau wie alle anderen, und dieser Welt meine Geschichte zu erzählen. Meine Geschichte ist nicht erst gestern geboren, sondern sie entstammt meiner Jugend. Als ich Kind war, las ich von vielen Kriegen, die Länder vernichteten, in denen ich heute Zuflucht finde.
Flucht ist Schicksal. Flucht ist ein Schicksal voller negativer Energie, das über uns bestimmt und Menschen, ja ein ganzes Volk, zwingt, ihre Heimat zu verlassen, um im Schmerz zu leben, Auge in Auge mit den Zeitläufen, die diese quälenden Ereignisse hervorbrachten.
Meine Mutter verabschiedete mich vor fünf Jahren, als ersten, der floh. Mein kleiner Bruder folgte nach einem Jahr. Meine Mutter und der Rest der Familie folgten dann nach zwei Jahren. Wir sind heute nur Nummern in den Registraturen der UNO und der Grenzer der Welt. Wir leben in Zeltlagern verstreut in allen Ecken der Welt.
Die Ausstellung „Eye Contact“ zeigt die Situation der Flüchtlingskinder im Lager Za`tar in Jordanien. Der in Frankreich lebende syrische Fotograf Manar Bilal konnte dort intime Momente des Glücks und des unbeschwerten Lebens festhalten und dokumentieren, da er selbst über Monate hinweg im Lager arbeitete und somit eine besondere Beziehung zu den Kindern aufbaute. Diese Nähe und Freundschaft zeichnet die Fotografien aus, die manchmal nur im Hintergrund das Leben im Lager bezeugen, ärmliche Verhältnisse, keine Privatsphäre, keine festen Unterkünfte und keine Schulen.
Ein weiteres Element der Ausstellung sind die Bilder des Aachener Projekts „Bilder von geflüchteten Kindern“, die der Künstler Mohammad Ahmad mit 100 Kindern in einer Erstunterkunft gemalt hat und die anschließend im Ludwig Forum in Aachen zu sehen waren.
Begleitet von einer Soundinstallation ergibt sich ein Einblick in das Leben der jungen Menschen, ihre Erfahrungen, ihre Empfindungen und ihre Hoffnungen. Tief berührende Porträtfotos stehen neben Kinderzeichnungen, die sowohl die Ankunft im neuen Land, aber auch das Erlebte im Krieg und auf der Flucht zeigen, - in einem Raum, in dem Kinderlärm zu hören ist, der in einem der größten Flüchtlingslager der Welt aufgenommen wurde, und der sich anhört wie überall auf der Welt.
Jabbar Abdullah & Mirjam Knapp
Ansprechpartner*in:
Jabbar Abdullah jabbar.aaa42@gmail.com, 0176 21 48 15 05
Mirjam Knapp mirjam_k@gmx.de, 0176 26 36 39 65
Mit freundlicher Unterstützung:
Erzbistum Köln
Aktion Neue Nachbarn
Alte Feuerwache/Köln
Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW
LAG soziokultureller Zentren
MoneyGram
17-3-17 Verein der Förderer des Austauschs deutscher und syrischer Kultur e. V.
Die Ausstellung erfolgt mit freundlicher Unterstützung des Ostpreußischen Landesmuseums Lüneburg und 17_3_17 Verein der Förderer des Austauschs deutscher und syrischer Kultur e.V.
Erschaffen Menschen, die Flucht erfahren haben, ähnliche Bilder? Egal in welcher Generation oder mit welchem kulturellen Hintergrund? Das ist die Frage, die dieser besonderen Ausstellung zu Grunde liegt. Kulturschöpfer zeigt Werke von KünstlerInnen, die Flucht am eigenen Leib erfahren haben und ihre Erlebnisse, zum Teil erst Jahrzehnte später, in Bildern festgehalten haben.
Wir freuen uns sehr, KünstlerInnen wie Mohammad Al Helal oder Basheer Boti zu zeigen, die ihre syrische Heimat verlassen mussten, sowie Ludwig Sasse, der 1958 aus der DDR nach Westdeutschland flüchtete und KünstlerInnen wie Gertrud Lerbs, Gerhard Bondzin oder Eduard Bischoff, die 1945 aus Ostpreußen und Pommern nach Westen flüchteten.
Weitere Infos unter www.kulturschoepfer.de/currentexhibits